Mann trifft Frau, verliebt sich in sie, überwindet einige Hürden und wird mit ihr am Ende glücklich: Konfektionierte Liebesfilme nach dem Hollywood-Bausatzprinzip überschwemmen jedes Jahr die Kinolandschaft. So schmackhaft manche dieser klebrig-süßlichen Massenprodukte auch zubereitet sein mögen, köstlich-prickelnde Beziehungs-Überraschungen bieten sie nicht. Eine Ausnahme aus dem Romanzen-Einheitsbrei ist die Independent-Perle (500) Days Of Summer. Neben den vielen inszenatorischen Finessen, die sich Videoclipregisseur Marc Webb für sein Regiedebüt hat einfallen lassen ist es vor allem das bestechend realistische, semiautobiographische Drehbuch von Scott Neustadter und Michael H. Weber, dass die erfrischende Liebeskomödie weit über den Genredurchschnitt hebt.
„Das ist die Geschichte von einem Jungen und einem Mädchen“, tönt es zu Beginn von (500) Days Of Summer im märchenhaften Plauderton aus dem Off. Und was für eine… Der Junge heißt Tom (Joseph Gordon-Levitt) und ist ein lebensfroher Romantiker, der in einer Firma Texte für kitschige Grußkarten schreibt. Was ihm zu seinem Glück fehlt ist die richtige Frau an seiner Seite. Die glaubt er in der hübschen neuen Arbeitskollegin Summer (Zooey Deschanel) gefunden zu haben. Doch irgendwie will es Tom nicht gelingen sie auf sich aufmerksam zu machen, bis ein Firmenkaraokeabend das Eis zwischen den beiden bricht. Im Gespräch offenbart ihm Summer aber, dass sie nicht an die Liebe glaubt und deshalb an einer ernsten Beziehung nicht interessiert ist. Immerhin kann Tom ihr nach mehreren Annäherungsversuchen ein Freundschaftsversprechen abringen. Als Summer ihn am nächsten Morgen urplötzlich auf den Mund küsst ist für Tom der Fall klar: Nicht nur er ist in Summer verliebt, sondern sie auch in ihn. Bald verbringen die beiden viel Zeit miteinander, bis sie die ungewollte Quasi-Beziehung abrupt beendet. In einem Anflug von Verzweiflung versucht der am Boden zerstörte Tom an Hand seiner Erinnerungen zu rekonstruieren, warum es zwischen Summer und ihm am Ende nicht geklappt hat.
Das Originelle an (500) Days Of Summer ist die für einen Liebesfilm völlig ungewöhnliche Perspektive. Webb erzählt seinen Film gänzlich aus Toms Sicht. Die Lebenswelt von Summer blendet er völlig aus. Ihre zarten Gesten, ihre frechen Bonmots und ihre charmanten Spleens erfährt man nur durch Toms rosarote Brille. Als Konsequenz bleibt Summer für den Zuschauer ein Mysterium ohne eigene Geschichte. Diese bewusste Beschränkung auf eine einseitige Sichtweise funktioniert grandios, da sie glaubwürdig die Realität vieler unglücklich Liebender abbildet. Aus diesem Verständnis heraus lässt sich auch die Besetzung von Summer mit der bezaubernden Zooey Deschanel (Der Ja-Sager) nachvollziehen. Mit ihren funkelnden blauen Augen bietet die unergründliche 29-Jährige einfach viel Platz für Toms Wunsch-Projektionen. Nicht minder überzeugend ist Deschanels Schauspielpendant Joseph Gordon-Levitt (Brick), der die komplexere Rolle des naiven Romantikers mit einer angenehm reduzierten Mimik meistert. Der aufstrebende Jungstar besitzt die seltene Gabe eine emotionale Bandbreite von hemmungsloser Melancholie, verschmitztem Witz bis hin zu völliger Verstörtheit innerhalb weniger Sekunden glaubwürdig abrufen zu können.
Wunderbar funktioniert auch die Idee ein Hauch von Memento in (500) Days Of Summer einfließen zu lassen. Ähnlich wie in Christopher Nolans meisterhaftem Thrillerverwirrspiel verweigert sich Webbs Film einer linearen Erzählweise. Mehr noch: die 500 Tage andauernde weder noch-Beziehung von Tom und Summer wird in unchronologische, scheinbar willkürlich ausgewählte Zeiteinheiten zerstückelt. Diese prägnanten Alltags-Häppchen geben genau den durcheinander geratenen Erinnerungsstrom von Tom wieder. Einzelne Momente des Glücks blitzen plötzlich auf, während wochenlange Negativerlebnisse mit einem Mal verdrängt werden. Aus diesem Emotionspuzzle kristallisiert sich irgendwann für Tom und den Zuschauer die bittere Wahrheit des Beziehungs-Scheiterns heraus. Dieser schmerzhafte Erkenntnisprozess birgt unglaubliche Spannung, der man sich nicht entziehen kann.
Besonders hoch anzurechnen ist es Webb, dass er das traurige Trennungsgrundkonstrukt von (500) Days Of Summer nicht als dröge Selbstbemitleidungsgeschichte inszeniert. Immer wieder stecken die Fröhlichkeit der Hauptfiguren und ihre herrliche Unbekümmertheit an. Für brüllend komische Momente sorgt besonders Toms zwölfjährige Schwester Rachel (Chloe Grace Moretz), die mit ihren altklugen Beziehungstipps den auf Wolke Sieben schwebenden Bruder immer wieder gründlich erdet.
In den Mitteln der Inszenierung vergreift sich Webb nie im Ton. Seinem lockeren Erzählgestus bleibt er immer treu. Gemäß diesem Konzept flechtet er fast beiläufig eine Bollywood ähnliche Musicaleinlage ein, lässt in Toms Hochstimmung ein Zeichentrickvögelchen ins Bild fliegen oder illustriert in einer genialen Splitscreen-Sequenz, was in Toms Vorstellung abläuft und gleichzeitig in der Realität passiert. Nebenbei outet sich Webb auch als Fan von Cameron Crowe (Almost Famous), indem er die Stimmungslage der Charaktere mit abwechslungsreichen Songs von The Smiths bis hin zu Carla Bruni akzentuiert.
Die mit einem Einspiel von über 32 Millionen Dollar (bei Kosten von ca. 7,5 Millionen) erfolgreichste US-Independentkomödie des Jahres erinnert in ihrem Tonfall an solch großartige Werke wie Garden State oder Juno. Mit spielfreudigen Darstellern, einem authentischen Drehbuch und einem originellen Erzählkonzept gelang Nachwuchsregisseur Marc Webb eine wunderbar hintersinnige Anti-Romanze, die in den besten Momenten die Authentizität von Before Sunset erreicht und sich berechtigte Oscarhoffnungen machen darf.